Stuttgarter Gemeinschaftsunterkunft
In den letzten Jahren sind in Deutschland an zahlreichen Orten Flüchtlingsunterkünfte entstanden, die die dortigen Nachbarschaften auf lange Zeit prägen werden. Allerdings wurden die Unterkünfte nur selten als Teil von Stadtentwicklungsmaßnahmen mitgedacht. Zumeist liegen sie in abgelegenen Randviertel, mit einer unzureichenden sozialen und mobilen Infrastruktur. So wird die Integration der Geflüchteten erschwert, was hohe Kosten für die Menschen und das lokale Miteinander mit sich bringt. Hinzu kommt, dass auch innerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte Orte der Gemeinschaft und des Rückzugs fehlen. Zwar bestehen in den meisten Unterkünften Aufenthaltsorte, diese können jedoch angesichts mangelnder Aufenthaltsqualität häufig nur teilweise oder gar nicht genutzt werden.
Ansatz
Home not Shelter! entwickelt neue Ansätze, die durch eine partizipative Prozessgestaltung Interaktionsräume schaffen und neue Integrationspfade in die Nachbarschaft und die Stadt eröffnen. Dabei setzt das Projekt auf eine aktive Zusammenarbeit zwischen Expert*innen, Studierenden, Sachkundigen und vor allem den Bewohner*innen und ihren Betreuer*innen vor Ort. Die Ansätze kombinieren Praktiken der sozialen und interkulturellen Arbeit mit Methoden der Partizipation und des Social Designs. Sie wurden im Kontext einer von der Malteser Hilfsdienst gGmbH betreuten Unterkunft im Stadtbezirk Münster im Stuttgarter Norden seit Oktober 2017 entwickelt, ausprobiert und sind auf vergleichbare Kontexte übertragbar.
Die Unterkunft in Stuttgart wurde daraufhin für ein Pilotprojekt zur ergebnisoffenen Umgestaltung der Gemeinschaftsräume ausgewählt. Ausgehend von dem Wunsch nach einem Raum, der Konzentration, Ruhe und ungestörtes Lernen ermöglicht, wurden über einen Zeitraum von zwei Monaten gemeinsam mit einem Team von Geflüchteten Entwürfe erstellt und diskutiert, Raumanordnungen variiert und Regeln für den Lernraum erarbeitet. Am 5. und 6. März bauten die Bewohner*innen schließlich in einem gemeinschaftlichen Bauworkshop mit dem werkraum die Möbel und richteten den Lernraum ein. Weitere Maßnahmen, die auch im Quartier und über das Quartier hinaus Wirkung zeigen können, werden derzeit von Home not Shelter! geplant.
Förderung
Die von der Hans Sauer Stiftung sowohl finanziell als auch operativ geförderte Initiative Home not Shelter! bietet an, die Umsetzung der Projekt-Konzepte in Kooperation mit den notwendigen Partnern, wie in Stuttgart, zu begleiten, zu moderieren und zu kuratieren. Die Integration der örtlichen Stakeholder mit in den Prozess und eine Beteiligung an der Finanzierung ist dabei essentiell.
In einem ersten Schritt bohrten, verschraubten und lackierten rund 25 Bewohner*innen, gemeinsam mit dem Team des werkraums – eine von der Hans Sauer Stiftung in München geführte Holzwerkstatt für Geflüchtete – die halbvorgefertigten Möbelstücke.
Wirkung
Home not Shelter! hat die beschriebene Stuttgarter Flüchtlingsunterkunft exemplarisch für die derzeit vielerorts erbauten Gemeinschaftsunterkünfte untersucht. In der sozialräumlichen Analyse haben sich vier Problemfelder gezeigt, die die Integration von Geflüchteten erschweren. Anhand dieser Problemfelder wurden Projekt-Konzepte entwickelt, die drei Handlungsfelder – Räume, Gemeinschaft und Aktionen – und drei Maßstabsebenen – Mikro-, Meso- und Makro-Ebene – abdecken. Diese Projekt-Konzepte sind von Grund auf partizipativ und im Verlauf und den Ergebnissen offen gestaltet. Die Kombination dieser bietet ein ausgewogenes Verhältnis der Handlungsfelder und Maßstabsebenen und kann daher ein ganzheitliches und langfristiges Ergebnis für alle Beteiligten erzielen. Die Projekt-Konzepte stellen Vorschläge dar. Die konkrete Planung, Zusammenstellung und Umsetzung von Projekten kann für jede Unterkunft nach Bedarf angepasst werden.
Der in diesem Rahmen in der Stuttgarter Unterkunft gestaltete Lernraum ermöglicht den Bewohnern und Bewohnerinnen einen Ort der Ruhe und des Lernens. Besonders für Kinder und Jugendliche eine gute Möglichkeit, sich zurückzuziehen. Ein ungenutzter Raum konnte so durch partizipative Prozesse und gemeinsames Bauen aufgewertet werden. Home not Shelter! wird die Bewohner*innen in den nächsten Wochen und Monaten in regelmäßigen Treffen begleiten, um den Aneignungsprozess nachhaltig wirksam zu machen.