HANS SAUER PREIS 2024: ZUKUNFT MITGESTALTEN – Beteiligungsprozesse für eine sozial-ökologische Transformation
Bürgerbeteiligung und Partizipation haben großes Potenzial, Prozesse der sozial-ökologischen Transformation zu initiieren, zu befördern, innovative Ansätze zu finden oder diesen zu einer breiten Akzeptanz und Legitimation zu verhelfen. In Zeiten politischer Polarisierung und Radikalisierung sind Beteiligungsprozesse eine wichtige Methode, nicht nur um Prozessen und Projekten des sozial-ökologischen Wandels zu der notwendigen gesellschaftlichen Resonanz, Akzeptanz und Unterstützung zu verhelfen, sondern mithin auch kollaborative Umsetzungen zu ermöglichen. Gute Prozesse und Methoden können Gestaltungsspielräume eröffnen und zur Verantwortungsübernahme und Erfahrungen der Selbstwirksamkeit der Bürger*innen führen.
Das Ziel guter Beteiligungsprozesse für eine sozial-ökologische Transformation sollte es sein, Konsens und Akzeptanz sowie gesellschaftliche Arenen der Aushandlung und Willensbildung zu schaffen und damit gangbare und breit getragene Lösungswege für die großen, drängenden Herausforderungen unserer Zeit zu finden: Denn nicht nur in Fachkreisen setzt sich die Überzeugung durch, dass angesichts globaler Herausforderungen eine umfassende Weiterentwicklung der Gesellschaft im Sinne eines sozialen und nachhaltigen Miteinanders dringend notwendig ist. Genannt seien ohne Anspruch auf Vollständigkeit die Klimakrise, die Überschreitung planetarer Belastungsgrenzen, Migrationsbewegungen, politische Tendenzen der (Rechts-)Radikalisierung oder wachsende soziale Ungleichheiten. Bürger*innen an diesen Veränderungsprozessen zu beteiligen, hat insofern nicht nur großes Potenzial, sondern ist auch eine große gesellschaftliche Chance und Notwendigkeit.
Gleichzeitig sind Beteiligungsprozesse nicht einfach umzusetzen und erfordern verantwortlichen Umgang und Expertise. Denn oftmals bilden in Beteiligungsprozessen gerade die Gruppen eine Mehrheit, die gesellschaftlich ohnehin stark repräsentiert sind und deren Anliegen bereits Gehör finden. Marginalisierte Gruppen sind hingegen nicht nur gesellschaftlich unterrepräsentiert, sondern auch für Beteiligungsprozesse schwer zu erreichen. Dies kann zu Asymmetrien in Beteiligungsverfahren führen, die bestehende soziale und politischen Ungleichheiten verfestigen. Die „Unerreichbaren” zu erreichen, ist daher eine wichtige Aufgabe und große Chance von gut gestalteten Beteiligungsprozessen. Für die Planung eines Beteiligungsverfahrens ist daher die Berücksichtigung des spezifischen lokalen Kontexts und die Identifikation und Einbeziehung aller relevanten Stakeholder wichtig. Angepasste und gut zugängliche Informationen bereitzustellen, Anreize für eine Beteiligung zu schaffen sowie Hürden und Hemmnisse für eine Beteiligung klein zu halten, sind hier beispielsweise relevante Aufgaben.
Bürgerbeteiligung mit diversen Zielgruppen bedeutet auch immer Konflikt. Während in einer homogenen Gruppe die Herstellung von Konsens realistisch ist, sind in einer diversen und vielfältigen Gesellschaft Konflikte unvermeidbar. Diese Konflikte polarisieren oft, spalten die Gesellschaft und gefährden die Realisierung von Projekten. Bürgerbeteiligungsverfahren können es aber schaffen, kontroverse und heterogene Gruppen- oder Bereichsperspektiven in einen produktiven Austauschprozess zu bringen. Oftmals ist daher in einer Beteiligung nicht entscheidend, wie viel Konsens es gibt, sondern wie mit Dissens umgegangen wird.
Zusätzlich zur gesetzlich vorgeschriebenen Öffentlichkeitsbeteiligung wird Partizipation zwar immer öfter eingefordert oder auch praktiziert, aber viele Verfahren beruhen auf Freiwilligkeit. Ein Bekenntnis zu den Ergebnissen oder eine Umsetzung durch Entscheidungsträger*innen ist häufig nicht sichergestellt. Werden Bürger*innen in Beteiligungsverfahren keine geeigneten Mitgestaltungsspielräume geboten, Vorschläge ignoriert oder Ergebnisse durch (politische) Entscheidungsträger*innen nicht akzeptiert, untergräbt dies die Beteiligungsverfahren und enttäuscht die Bürger*innen in ihrer Motivation, sich einzubringen. Gute Bürgerbeteiligungsverfahren müssen es schaffen, den Beteiligten ein Gefühl von Selbstwirksamkeit zu vermitteln und dem Prozess zu Wirksamkeit zu verhelfen. Die Etablierung, Verstetigung und das Bekenntnis zu den Ergebnissen von Beteiligungsprojekten sind wichtige Ziele, um wirkungsvolle Prozesse zu realisieren.
HANS SAUER PREIS 2024
Es liegt an Politik und Gesellschaft, mithin aber auch an jedem*r Einzelnen, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen und innovative Konzepte zu entwickeln, um Partizipation und Bürgerbeteiligung im Sinne einer sozial-ökologischen Transformation zu fördern. Der Hans Sauer Preis 2024 „Zukunft mitgestalten. Beteiligungsprozesse für eine sozial-ökologische Transformation“ widmet sich deshalb Projekten, die auf innovative Weise mit den Herausforderungen von Beteiligungsprozessen umgehen. Der Wettbewerb steht damit in einer Reihe der inhaltlichen und praktischen Auseinandersetzung der Hans Sauer Stiftung mit ko-kreativen Prozessen des sozialen Wandels. Der Wettbewerb will Beteiligungsprojekte und ihre Akteur*innen dabei nicht nur auszeichnen, sondern diese auch stärken und untereinander vernetzen. Daher ist im Rahmen der Preisverleihung auch ein Workshopangebot geplant, das am 21.03.2024 in München stattfinden soll. In drei Kategorien sind Preisgelder in Höhe von insgesamt 20.000 Euro ausgelobt.
KATEGORIEN
Zur Einordnung und Vergleichbarkeit bitten wir alle Einreichenden, ihr Projekt / ihre Einreichung einer der folgenden Kategorien zuzuordnen:
VORHABEN: Projekte oder Prozesse, die sich noch in der Ideenphase, aber noch nicht in der Umsetzung befinden, können in dieser Kategorie eingereicht werden. Zur Umsetzung fehlende und relevante Parameter sollten dabei in der Einreichung beschrieben werden.
METHODEN: In dieser Kategorie können innovative Methoden und einzelne Herangehensweisen eingereicht werden, die sich im Prozess im direkten Vergleich zu anderen angewandten Tools bewährt haben. Auch einzelne Projektphasen und Schritte aus großen, komplexen oder länger andauernden Prozessen können in dieser Kategorie eingereicht werden.
BEST PRACTICE: Erfolgreich abgeschlossene Verfahren oder ausgearbeitete Prozesse kurz vor oder in der Umsetzung fallen in diese Kategorie.
Die Jury
Leona Lynen unterstützt Orte in ihrem Prozess des Werdens. Sie ist Vorständin der ZUsammenKUNFT Berlin eG, dem zivilgesellschaftlichen Partner in der Entwicklung des Modellprojekts Haus der Statistik in Berlin. Als Expertin für Ko-Produktion und nutzergetragene Stadtentwicklung liegt ihr Fokus im Projekt aktuell auf der Umsetzung von Public-Civic-Partnership Trägermodellen, um langfristig eine gemeinwohlorientierte Bodenpolitik und bezahlbare Räume im Quartier zu sichern. Geleitet von einem zukunftsorientierten Pragmatismus, schafft Leona durch Projektentwicklung, Diskurs und Moderation neue Räume der Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Eingebettet in ein großes Netzwerk von Kooperationspartnern hat ihre Arbeit in zahlreichen Publikationen, Ausstellungen, Vorträgen und Lehrveranstaltungen ihren Ausdruck gefunden. Jenseits des Hauses der Statistik macht Leona als Partnerin von team stadtstattstrand alternative Stadtentwicklungstrends salonfähig, u.a. durch Projekte wie die Urbane Liga – Bündnis junger Stadtmacher; Bundespreis Koop.Stadt und dem Glossar der gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung. // www.hausderstatistik.org, www.leonalynen.net, www.stadtstattstrand.de
Jörg Sommer ist Politikwissenschaftler und Soziologe, er beschäftigt sich seit über 30 Jahren mit Fragen des gesellschaftlichen Engagements und Zusammenhaltes. So gibt er unter anderem das in zweijährigem Rhythmus erscheinenden „KURSBUCH BÜRGERBETEILIGUNG“ heraus. Er ist Direktor des Berlin Institut für Partizipation | bipar und in dieser Eigenschaft auch als Gutachter und Berater für Parlamente, Ministerien, Stiftungen und Verbände tätig. Seit 2020 publiziert er einen kostenlosen wöchentlichen Newsletter demokratie.plus zu Fragen der Demokratie und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Seit 2018 ist er Koordinator der Allianz Vielfältige Demokratie, seit 2023 Vorstandsvorsitzender des Fachverbands Bürgerbeteiligung. 2021 wurde er von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für sein gesellschaftspolitisches Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. // www.bipar.de
Bernadette Felsch ist seit 2015 in verschiedenen ehrenamtlichen Positionen beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC) aktiv, u.a. als stellvertretende Bundesvorsitzende. Seit 2018 ist sie die Vorsitzende des ADFC Bayern. 2022/2023 war sie zudem die Beauftragte (Sprecherin) der Volksbegehrensinitiative “Radentscheid Bayern”, die ein bayerisches Radgesetz forderte, welches im Juli 2023 erlassen wurde. Daneben engagiert sie sich aktiv in mehreren Initiativen für bezahlbares Wohnen und ein soziales Bodenrecht, im Münchner Forum für Stadtentwicklungsfragen und ist Stiftungsrätin der Petra-Kelly-Stiftung.
Hauptberuflich arbeitet die studierte Politologin und Verwaltungsfachwirtin seit 2001 für die Landeshauptstadt München, die meisten Jahre im Bereich Nachhaltigkeit und Bildung für eine nachhaltge Entwicklung. // www.adfc.de, https://radentscheid-bayern.de/
MOHAMED ZAKZAK Diplom-Sozialarbeiter, Studium der sozialen Arbeit stammt ursprünglich aus dem Libanon und kam 1989 als unbegleiteter Flüchtling nach Deutschland. Mohamed Zakzak ist der Inklusionsbeauftrage der Stadt Pforzheim. Er ist zertifizierter Anti-Aggressivitätstrainer, Traumapädagoge und systemischer Berater. Zudem ist er zertifizierte Fachkraft für Kinderschutz. Mohamed Zakzak verfügt über vielfältige Berufserfahrung im Bereich Inklusion sowie in der Jugendhilfe. Er arbeitet intensiv mit den Themen „Clankriminalität“ und „Gewaltbereite arabischstämmige Jugendliche“ sowie mit delinquenten Jugendlichen. Zudem ist er stellv. Vorsitzender des Fachverbands Bürgerbeteiligung und einer der Autoren des Buches „Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehrsraum: Grundlagen- Planung- Bauausführung“. // https://fvbb.info/
–> Hier gehts zur Ausschreibung als PDF Hans Sauer Preis 2024.