
Das Projekt setzt an einem drängenden gesellschaftlichen Problem an: der einseitigen Betrachtung von Nachhaltigkeit aus privilegierten Perspektiven. Benachteiligte Jugendliche stehen oft im Mittelpunkt sozialer Herausforderungen und haben zugleich ein enormes Potenzial, positive Veränderungen in ihren Gemeinschaften zu bewirken. Dennoch werden ihre Stimmen und Perspektiven im Diskurs um Nachhaltigkeit häufig überhört. Aktuelle jugendbezogene Studien erheben meist die Sichtweisen von bereits engagierten Jugendlichen. Bildungsbenachteiligte Jugendliche in etwa werden unter konsum- und einstellunsorientierten Kategorien wie „die Distanzierten“ (BMUV, Zukunft? Jugendfragen! – 2021, 2022) statistisch präsent jedoch werden daraus Schlussfolgerungen ohne den Einbezug der Lebenswirklichkeit von benachteiligten jungen Menschen getroffen. Häufig wird festgestellt, dass Jugendliche mit höherem sozialem- und kulturellem Kapital nachhaltiger handeln und sich mehr engagieren (Gaiser, et. al., 2012).
Das Nachhaltigkeits- und Engagementverständnis ist jedoch ein solches, dass ohne die Sichtweisen von benachteiligten Jugendlichen entwickelt wurde und führt damit zu einer Verzerrung der Wahrnehmung von Nachhaltigkeit insgesamt. Die Bedürfnisse, Sichtweisen und Lebensrealitäten benachteiligter Jugendlicher bleiben unberücksichtigt, was zu unvollständigen Lösungsansätzen führt. Die bestehenden nachhaltigen Maßnahmen und Programme sind möglicherweise nicht auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und berücksichtigen nicht die spezifischen Barrieren, mit denen sie konfrontiert sind.
Diese einseitige Perspektive untergräbt nicht nur die Effektivität von Nachhaltigkeitsinitiativen, sondern verstärkt auch soziale Ungerechtigkeiten. So wird im General comment Nr. 26 (2023) „on children’s rights and the environment, with a special focus on climate change“ nochmals das Recht auf Gehört, Beteiligung und Nichtdiskriminierung für alle jungen Menschen im Kontext globaler Nachhaltigkeitsbeschäftigungen in allen Sektoren verdeutlicht. Indem das Projekt diese Stimmen in den Fokus rückt, strebt es danach, diese Schieflage zu korrigieren und eine inklusivere, ganzheitlichere Herangehensweise an Nachhaltigkeit zu fördern.
Das Projekt zielt darauf ab, diese Lücke in der Forschung zu schließen, die Perspektiven benachteiligter Jugendlicher partizipativ zu erheben und in den interdisziplinären Diskurs einzubringen. Durch den Dialog mit diesen Jugendlichen wird nicht nur ein besseres Verständnis ihrer Ansichten ermöglicht, sondern es entsteht auch eine Grundlage, um gezieltere, effektivere und gerechtere Maßnahmen zur Förderung der Nachhaltigkeit zu entwickeln. Damit trägt das Projekt dazu bei, eine inklusive und vielfältige Vision von Nachhaltigkeit zu schaffen, die die Bedürfnisse und Anliegen aller Mitglieder der Gesellschaft berücksichtigt. Die Forschungsfrage lautet damit: „Wie erleben und bewerten benachteiligte Jugendliche das Thema Nachhaltigkeit und welche Barrieren sowie Chancen identifizieren sie in ihrer eigenen Lebenswelt zur Teilhabe an Nachhaltigkeit?“
Organisation
Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz gGmbH
Kontakt zum Projekt
Madeleine Jung
Bildrechte (c)
Markus Spiske