Die Zukunft ist zirkulär – dieser Vision folgend widmet das Kunstgewerbemuseum sein achtes Design Lab dem Thema „Kreislaufwirtschaft“. Auf dem Weg hin zu einer zirkulär agierenden Gesellschaft und Wirtschaft kommt dem Material eine Schlüsselrolle zu. In enger Kooperation mit dem social design lab der Hans Sauer Stiftung bietet das „Design Lab #8: Material Loops – Wege in eine kreislauffähige Zukunft“ diesem Diskurs eine Plattform und stellt kreislauforientiertes Denken und Handeln anhand einer Auswahl von zukunftsweisenden Designprojekten vor. Das Netz von Akteur*innen spannt sich von Berlin aus über Deutschland – bis nach Italien zur Circular City Prato. Die Eröffnung findet am 10. Juni 2021 um 17.00 Uhr digital statt, zudem erscheint ein begleitender Reader, der zum kostenlosen Download bereit steht.
Die Nutzung von Ressourcen und Dingen folgt im gegenwärtigen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell weitgehend einem linearen Muster, dem des „take, make, waste“: Ressourcen sowie natürliche Rohstoffe oder auch verarbeitete Produkte werden zu einem überwiegenden Teil deponiert oder thermisch verwertet und nicht etwa konsequent wieder- und weiterverwendet. Dabei hat sich der weltweite Materialverbrauch in den vergangenen 100 Jahren verachtfacht und dürfte bis 2050 um weitere 17 % steigen. Die direkten Folgen der Wegwerfmentalität sind neben deutlich spürbaren ökologischen Problemen auch eine Verstärkung sozialer Ungleichheit und Ausbeutung entlang globalisierter Produktionsketten.
Anders als das lineare Wirtschaftsmodell möchte die Kreislaufwirtschaft Stoffströme miteinander vernetzen, so dass ein zirkuläres System entsteht. Produkte und Materialien sollten zukünftig so gestaltet und konstruiert werden, dass sie am Ende ihres Lebenszyklus‘ eine neue Nutzung finden oder in technische oder biologische Kreisläufe zurückgeführt werden können. Wichtige Faktoren sind ein langlebig ausgerichtetes Design, Reparierbarkeit, Zerlegbarkeit, der schonende Umgang mit jeglichen in der Produktion beteiligten Ressourcen, aber auch der Materialeinsatz an sich.
Das Modell der Circular Society geht noch einen Schritt weiter und versucht Herangehensweisen anzuregen, die über technologische und marktorientierte Ansätze hinausgehen. Es ist als Vision einer grundlegenden, am Konzept der Zirkularität orientierten sozial-ökologischen Transformation zu verstehen. Mit diesem Erweiterungsvorschlag soll aufgezeigt werden, dass der Übergang zu einem zirkulären System eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Konkret bedeutet dies unter anderem, dass Zirkularität zu einem Leit-, Strukturierungs- und Handlungsprinzip in zahlreichen Gesellschaftsbereichen werden muss und dabei immer das gesellschaftliche Wohl im Blick bleiben sollte. Nur über Kooperation, Beteiligung, Aufbau und Teilen von Wissen, Transparenz und Zugänglichkeit können lineare Regeln, Organisationsformen, Wissensordnungen aber auch und vor allem Wert- und Zielvorstellungen in der Gesellschaft überwunden und neu ausgerichtet werden.
Material und Materialverbrauch stehen im Zentrum der beschriebenen Problematik eines linearen Wirtschaftssystems. Man geht davon aus, dass 80 Prozent des Ressourceneinsatzes bereits in der Produktentwicklung festgelegt werden. Damit besitzen Designer*innen, aber auch Produzent*innen in der sozio-ökonomischen Transformation zu einem zirkulären System durch die Wahl des verwendeten Materials eine große Verantwortung. In den Händen der Konsument*innen kann das Material schließlich zum kreislauffähigen Produkt werden.
Die Ausstellung vereint Beispiele für kreislauffähiges Material und dessen Anwendung aus der „Biosphäre“ und der „Technosphäre“.
Das Material der biologischen Sphäre lässt sich nach der Nutzung als Nährstoff nahtlos zurück in den natürlichen Kreislauf führen – darunter fallen zum Beispiel die Kleider aus ugandischem Barkcloth von der Londoner Designerin José Hendo oder das lederähnliche Material Sonett155 entwickelt von Johanna Hehemeyer-Cürten und Lobke Beckfeld, welches aus Zelluloseabfällen aus der Textilindustrie und dem Pektin aus Apfelschalen gewonnen wird.
In der technischen Sphäre kursiert Material, das der Natur nicht mehr zugeführt werden kann, wie Neuschrott aus der Metallindustrie, den die Metallgestalterin Lilli Gruber in ihrem Projekt „Stahlwandel“ zu hochwertigem Werkzeug schmiedet. Plastik – ein die Technosphäre dominierendes Material – ist in der Ausstellung unter anderem von cirplus vertreten, einem globalen Onlinehändler für recyceltes Plastik. Auch der „X-Chair“ von Hermann August Weizenegger wurde entsprechend des Prinzips des Cradle to Cradle entworfen. Hier gilt es, die Lebensdauer der Materialien zu maximieren, indem sie so oft wie möglich in den technischen Kreislauf zurückgeführt werden.
Nach einer Einführung in die Grundzüge eines kreisläufigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems begegnen den Besucher*innen des Design Lab #8 verschiedenste Materialien und ihr spezifischer Einsatz – von Ziegelsteinen aus Myzelium, über recyceltem Plastik bis Tierinnereien aus dem Schlachtbetrieb – entlang des Produktions- und Verwertungskreislaufs.
Die ausgestellten Projekte reichen von in der Industrie bereits implementierten Materialien und Best-Practice-Beispielen bis zu spekulativen Experimenten von Designstudent*innen, u. a. von der Kunsthochschule Weißensee, der Universität der Künste Berlin, der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Kunst Hildesheim und der Folkwang Universität der Künste Essen.
Erste Einblicke ins Museum gibt es hier:
Die Stadt Prato liegt im nördlichen Teil der Toskana und ist seit dem 19. Jahrhundert weltweit für ihr Textilindustrie bekannt. Prato knüpft an eine lange Tradition nachhaltiger Ressourcennutzung an und ist heute auf dem Weg, eine Circular City – eine Stadt, die ganz nach den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft funktioniert – zu werden. Durch die Innovation von Produktionsprozessen, die Regeneration des urbanen Raums und der Stärkung von sozialem Zusammenhalt soll der Übergang zu einer Circular City bis 2030 gelingen. Das Design Lab #8 stellt die konsequente Anwendung zirkulärer Prinzipien Pratos anhand exemplarischer Projekte aus dem Textilsektor und darüber hinaus vor.
Die Ausstellung selbst ist ein museales Experiment in Materialoptimierung und Schonung von Ressourcen. Die Ausstellungsarchitektur stammt vollständig aus den Beständen des Museums. Druckprodukte werden größtenteils vermieden.
Das Design Lab #8 wird von Claudia Banz (Kunstgewerbemuseum), Barbara Lersch (social design lab / Hans Sauer Stiftung) und Kaja Ninnis (Kunstgewerbemuseum) kuratiert.
Die Reihe „Design Lab“ wird kuratiert von Claudia Banz, Kuratorin für Design am Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Museen zu Berlin. Sie wird gefördert durch das Kuratorium Preußischer Kulturbesitz.
Eine Sonderausstellung des Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Museen zu Berlin.
Die Copyrights der Bilder liegen bei den Projekten.