Ein Social Design Prozess im Klassenzimmer
Ansatz
Der schulische Unterricht befindet sich im Wandel: Bedürfnisse von Schüler*innen an Lernsituationen haben sich verändert, Digitalisierung verändert das Lernen und Lehren und es gibt neue Ansprüche an Schulabsolvent*innen. Dadurch passt der klassische Frontalunterricht immer weniger in den aktuellen Schulalltag. Häufig lernen die Schüler*innen gemeinsam mit und von ihren Mitschüler*innen und nicht ausschließlich vom Lehrpersonal. Neue Lehr- und Lernformate wandeln den Schulalltag – trotzdem sehen die Klassenzimmer in Bestandsbauten immer noch aus wie gewohnt und lassen wenig Raum für neue Unterrichtssituationen. Dies wollen wir ändern.
Oftmals sind großflächige Umgestaltungen im Schulhaus sehr kostenintensiv, können sich aufgrund politischer Entscheidungen verzögern oder sind nicht realisierbar. Darum benötigt es einen Anstoß zu kleinen, aber effektiven Veränderungen auf Klassenzimmerebene. Denn wir sind davon überzeugt, dass der Raum als dritter Pädagoge das Verhalten und die Einstellung der Schüler*innen und Lehrer*innen beeinflusst und damit große Wirkung auf den Lernprozess der Kinder und Jugendlichen hat.
Realisierung
Mit dem „Schule macht sich…“ Projekt „Hack your Classroom“ wollen wir Lehrer*innen und Schüler*innen dabei unterstützen, ihre Klassenräume innerhalb der bestehenden Infrastruktur so zu ertüchtigen, dass ein besseres Lernen in Hinblick auf die Herausforderungen und Anforderungen des 21. Jahrhunderts möglich wird. Das Projekt zielt auf schnelle und einfache Lösungen, welche unter Mitwirkung aller Beteiligten vor Ort realisiert werden können („hacks). So können Ertüchtigungen im Klassenzimmer mit geringen Kosten und einfachen Materialien durchgeführt werden und es kann auf unterschiedliche Bedürfnisse beim Lernen eingegangen werden. Die Flexibilität im Raum wird erhöht und neue Arten der Wissensvermittlung können erprobiert werden.
Für die iterative und partizipative Neugestaltung des Klassenzimmers wurden zwei Workshops und eine Hausaufgabe konzipiert, welche in einem Bautag mit der Schulfamilie mündeten. In einem ersten Workshop erfahren die Schüler*innen den Einfluss von unterschiedlichen Raumformaten auf Lernsituationen: sie bauen ihr Klassenzimmer drei Mal komplett um und reflektieren die veränderte Raumsituation. In einer Hausaufgabe können sie ihre Bedürfnisse, Wünsche und Ansprüche an ein Klassenzimmer zu Papier bringen. Diese Ideen werden in einem weiteren prototypischen Workshop nachgebaut und getestet. Alle Ideen fließen in die Möbelentwürfe eines Schreiners ein und werden nach Rücksprache mit den Lehrer*innen zu einem Möbelprototypen. Anschließen können diese Möbel, angeleitet von einem Schreiner, an einem Bautag oder im Werkunterricht selbst gebaut werden.
Wirkung
Drei Klassen aus unterschiedlichen Jahrgangsstufen haben sich gemeinsamen mit ihren Lehrer*innen auf den Weg gemacht, ihr Klassenzimmer durch kleine „hacks“ besser zu machen. In den Workshops und mit den Hausaufgaben sind viele Ideen zur Verbesserung der Lernsituation entstanden – kleine Änderungen mit großer Wirkung. Die entstandenen Prototypen wurden von einem Schreiner in Bauanleitungen für die Möbel übersetzt und gemeinsam mit den Schüler*innen gebaut. So entstanden neue Möglichkeiten, den Raum schnell und bedarfsorientiert an Lernformate und Situationen anzupassen. Beispielsweise gibt das neue „Lernzelt“ einer Kleingruppe die Möglichkeit, konzentriert für sich zu arbeiten. Es wird mit einem Flaschenzug an der Decke des Klassenzimmers angebracht und kann bei Bedarf ausgebreitet werden. Kleine, selbstgebaute Hocker lösen ab jetzt das ganztägige Sitzen auf. Sie können als Tisch am Boden genutzt werden, oder können einen normalen Schreibtisch zum Stehtisch umfunktionieren, indem sie darauf gestellt werden. Die Lehrer*innen können Lernsituationen jetzt flexibel verändern und an einzelne Bedürfnisse anpassen. Sie sind ermutigt, neue Lernformate in den Schulalltag zu integrieren und sich die Klassenräume neu anzueignen.
Das im Prozess entstandene Wissen wird anderen Schulen über eine Website zur Verfügung gestellt und zukünftig als Fortbildungsformat für Lehrer*innen angeboten.